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Frühstückslektüre | Karneval in Berlin - Zwischen Kultur und Jahrmarkt

Verfasst von Caroline Menard am

War es in den letzten Jahren vorab nicht ganz so eindeutig,  steht dieses Mal fest: Der Karneval der Kulturen findet am 18.05.2018 statt. Vor allem der alljährlich gefeierte Umzug repräsentiert ein Stück Berliner Tradition. Der KdK gilt seit 22 Jahren als urbanes Festival voller Musik, Tanz und Kunst, welches Berlins Vielfalt widerspiegeln soll. Aber tut es das tatsächlich?

Seit der Premiere im Jahre 1996, regelmäßig an das Pfingstwochenende gebunden, erfreuen sich die ZuschauerInnen an den bunten Kostümen, ethnisch vielfältigen Klängen, aufwendigen Umzugswagen, einzigartigen Maskeraden und Essensständen mit manchmal mehr, manchmal weniger ungewöhnlichem Verköstigungsangebot. Gemeinhin sind es genau diese Bilder, die sicher vielen in den Kopf schießen, wenn man an den Berliner Karneval der Kulturen denkt. 


„Made in Kreuzberg“

Zuweilen scheint die Beanspruchung des Bezirks Kreuzberg als Ursprung des Kulturfestivals als überheblich und kurzsichtig. Finden sich seine Anfänge doch in der Werkstatt der Kulturen, die 1993 in Berlin-Neukölln eröffnet wurde. Hier boten die Betreiber ein Forum der Begegnung als Möglichkeit des künstlerischen Schaffens sowie des kulturellen Dialogs zwischen Zugewanderten und Einheimischen. Aus diesem Konzept entwickelte sich zunehmend der Wunsch, die kulturelle Mannigfaltigkeit in solcher Form darzubieten, dass sie auch für Außenstehende sichtbar wird.

Eine Vorbildfunktion erfüllten zunächst Karnevalstraditionen aus Lateinamerika. Jedoch nicht der zu erwartende Karneval in Rio de Janeiro, sondern - weniger spektakulär, dafür umso traditioneller - der Karneval aus Pernambuco.

Somit lud Berlin-Kreuzberg im Mai 1996 (damals noch an Himmelfahrt) zum allerersten Karneval der Kulturen ein. Ganz Berlin durfte zuschauen und mit ihm die Welt. Was einst im überschaubaren Rahmen begann (mit ca. 50 000 Anwesenden), erreichte seinen bisherigen Höhepunkt mit knapp einer Million BesucherInnen und zählt mittlerweile zu den größten Paraden Deutschlands.


Wie sehr hat es Berlin nötig?

War es ursprüngliche Aufgabe des KdK, die „Unsichtbaren“ sichtbar zu machen und die Umkehrung vom gesellschaftlichen Oben und Unten zu mimen, scheinen Vorwürfe wie ungenügende Vorkehrungsmaßnahmen, Instrumentalisierung kultureller Vielfalt und eine teils stereotypisierte Darstellung fremder Kulturen, die ursprüngliche Grundhaltung von gegenseitiger Wertschätzung und das Überwinden von Ausgrenzung zu überschatten. Eine Entertainmentpolitik, die zwar auf Randgruppierungen aufmerksam macht, aber im Alltag schon wieder vergessen lässt. Getreu dem Motto: Viel Party, wenig Politik – Aber wo bleibt da der Inhalt?

Ein verstärkter Kulturkontakt in fremder Umgebung animiert sicherlich zur Wiederbelebung alter Traditionen – selbst, wenn es nicht die eigene ist. Doch braucht Berlin ein solches Straßenfest, geprägt vom ewigen „Zeichensetzen“, das im Grunde einer Selbstdarstellung frönt, deren Glaubwürdigkeit hin und wieder vage zutage tritt?!

Die Spreemetropole ist doch schon längst selbst ein Symbol für Multikultur, dem nichts mehr so fern ist, dass es zur Annäherung die Unterstützung eines solchen Events von Nöten hätte. Eine Stadt, die mit einem solch opulenten Schatz an Migrationserfahrung ausgestattet ist, dass der Wunsch nach mehr Einfallsreichtum größer wird als der bisherige Umgang vermuten lässt; beschränkt auf bunt gekleidete TrommlerInnengruppen und kulinarische Vielfalt.

Ob es dem diesjährigen Karneval möglich sein wird, seinem Kerngedanken gerecht zu werden, bleibt abzuwarten.

Berlin sollte wieder mehr wollen. Mehr Politik. Mehr Geist. Mehr Magie.


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