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Ja, Olga Hepnarová

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Unser letzter Film am ersten Tag war „Já, Olga Hepnarová“ (deutsch: „Ich, Olga Hepnarová“).
Olga ist am Anfang des Films 13. Wir lernen sie kennen, als sie nicht aufstehen will, sich weigert zur Schule zu gehen und einen Selbstmordversuch unternimmt, den sie aber unbeschadet überlebt.

© Black Balance

Deshalb und wegen mehrfacher Weglauf-Versuche kommt sie in ein Jugendgefängnis, wo sie mit den anderen Mädchen überhaupt nicht klarkommt. Sie hat keine Freunde, wird gemobbt und verprügelt. Auch die Eltern sind keine Stütze für sie. Der Vater hat sie missbraucht, die Mutter strahlt ihr gegenüber nur Eiseskälte aus.

Dann wird Olga älter, hat kürzere Haare, aber an ihrer Weltanschauung hat sich nichts geändert.

Olga raucht. Viel. Sehr viel. Selten wird heutzutage noch so dermaßen viel im Film geraucht. Vielleicht in Pawlikowskis „Ida“. Es gibt fast keine Szene, in der Olga nicht raucht. Im Bett, im Auto, dabei ascht sie auf sich selbst und alle Möbel. Das stört sie aber nicht. Was sie stört, sind die Menschen und die gesellschaftlichen Konventionen, die sie umgeben.

Sie spricht selten und starrt meistens teilnahmslos und melancholisch in die Ferne. Wenn sie angesprochen wird, antwortet sie oft überhaupt nicht. Optisch hat Olga nur wenig Weibliches an sich. Obwohl sie ein sehr hübsches Gesicht hat. Ihr Gang, ihre geduckte Haltung, die Hosen, das alles erinnert eher an einen Mann und genauso die Jobs, die sie macht. Sie probiert verschiedene Jobs aus, wird dort immer schnell rausgeworfen, bis sie sich als LKW-Fahrerin endlich wohlzufühlen scheint.

Immer öfter verspürt sie das Verlangen nach Sex mit Frauen. Sie gesteht sich endlich ein, dass sie lesbisch ist, aber mehr als ein paar Gelegenheitsbekanntschaften und erste sexuelle Erfahrungen werden es nicht. Keine der Frauen will eine Beziehung mit Olga eingehen. Eine von ihnen, mit der sie sich über einen längeren Zeitraum trifft, beendet die Affäre ganz unerwartet. Olga sei ihr zu maskulin. Ihre Hosen turnen sie ab.  

Ein weiterer Grund für Olga, die Menschheit zu hassen.

Nach und nach überlegt sich Olga, dass es nur zwei Möglichkeiten für sie gibt, mit all dem fertig zu werden: Entweder sie tötet sich selbst oder sie rächt sich an den Menschen, die sie immer wieder so tief verletzt haben und sie zu dem Menschen gemacht haben, der sie heute ist: Olga Hepnarová.

Der Film basiert auf einer wahren Geschichte:

Im Juli 1973 ist Olga Hepnarová mit einem LKW auf den Gehsteig gefahren und hat 8 Menschen mutwillig getötet. Vor Gericht bat sie um die Todesstrafe. Sie war die letzte Person, die in der Tschechoslowakei öffentlich hingerichtet wurde. Und das trotz ihrer offensichtlichen psychischen Krankheit.

Federico und ich sind uns hier einig: „Olga Hepnarová“ ist ein ganz großartiger Film, der vor Allem von der herausragenden schauspielerischen Leistung von Michalina Olszanska getragen wird. Aber auch die gesamte Inszenierung, der Schwarzweiß-Look, die Dialoge, die Bilder. Wir sind beide absolut hin und weg und haben somit schon am ersten Berlinale-Tag unseren Favoriten gefunden. Wir bleiben gespannt, inwieweit sich das noch ändern wird in den nächsten Tagen und wünschen dem Film viel Erfolg und dass er den Panorama-Publikums-Preis gewinnt. Wir haben jedenfalls die volle Punktzahl gegeben.

 

 

Tschechische Republik / Polen / Slowakische Republik / Frankreich 2016

Regie: Petr Kazda, Tomas Weinreb

Cast: Michalina Olszanska, Martin Pechlat, Klara Meliskova, Marika Soposka, Juraj Nvota

Berlinale Berlinale 2016

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