Sandra 16.02.10 - Der Tag der Vaeter im Film

Verfasst am

Es ist erst der zweite Berlinaletag und meine Augen fuehlen sich jetzt schon an als seien sie von einer Saugglocke bearbeitet worden.

9.00 Uhr Berlinale Palast. Zwei Reihen vor mir sitzt die ganze Berlinale Jury, das heisst Werner Herzog, Renee Zellweger, Mria Morales, Francesca Comencini, Nuruddin Farah, Cornelia Froboess und Yu Nan.
Wir sehen uns „Bal“ von Regisseur Semih Kaplanoðlu an. Der dritte Teil der Yusuf -Triologie. Yusuf ist erst sechs Jahre alt und lernt gerade lesen und schreiben. Sein Vater Yakup ist Bienenzüchter. Seinem Beruf geht er tief im Wald
nach, wo er seine Bienenkörbe in die obersten Wipfel der größten Bäume hängt. Als die Bienen überraschend aus der Gegend verschwinden, ist die Lebens - grundlage der Familie in Frage gestellt. Yakup bricht deshalb ins entfernte Gebirge auf. Yusuf stellt daraufhin das Sprechen ein. Die Tage vergehen, ohne dass Yakup zurückkommt.
Der Film erzaehlt durch wenig Worte wie intensive die Beziehung zwischen Yusuf und seinem Vater ist. Obwohl Bal, also Honig, der letzte Teil der Triologie ist, wird eine Schluesselphase in der Kindheit Yusufs erzaehlt. Der Kern des Charakters wird nach und nach herausgeschaelt.
Besonders beeindruckend und fuer sich sprechend sind die Lichtverhaeltnisse im Film. Der Film wirkt durch seinen Minimalismus. Sowohl Szenenbilder, Text als auch schnelle Bewegungen sind stark reduziert. Mal wieder etwas ruhiger in der Zeit der schnellen Bilder.

Ausser Konkurrenz lief heute der Film „Please Give“. Ein amerikanischer Film bei dem es um Schuldgefuehle, Gewissen und ein bisschen auch ums Glueck geht. Das Ganze aber sehr humorvoll verpackt. Kate und Alex verkaufen Moebel aus dem vergangenen Jahrhundert. Diese kaufen sie den Angehoerigen von Verstorbenen ab und das unter Wert. Das Geschaeft laeuft so gut, dass sie sich die Nachbarwohung kaufen um ihre eigene zu vergroessern. Dumm nur, dass in der neuen Wohnung noch eine alte Dame lebt. Es wird also auf das Ableben der 90 Jaehrigen gewartet. Das Geschaeft mit dem Tod bereitet Kate mehr und mehr Kopfzerbrechen und ein schlechtes Gewissen. Sie versucht durch Spenden und Almosen ihr Gewissen zu erleichtern. Ihr Mann hat trotz Affaire eher wenige Probleme mit seiner inneren Stimme.
Teilweise tragisch, teilweise amuesant aber nie langweilig wird diese Geschichte erzaehlt. Zurueck bleibt die Frage wo eigentlich die eigenen Grenzen des Gewissens sind.

Als grosser Ueberraschungshit hat sich die Dokumentation „Alle meine Vaeter“ entpuppt. Jan Reiber, der Regisseur ist auch zugleich Protagonist. Er ist auf der Suche nach seinem leiblichen Vater und seiner wahren Identitaet. Immer dabei die Kamera. Antworten findet er bei seiner Mutter, seinen Geschwistern, seinem Stiefvater und seinen Grosseltern. Als er seinen Vater gefunden zu haben glaubt, schreibt seine Mutter ihm einen Brief, der ihn von neu beginnen laesst. Sein Ziel mit allem aufzuraeumen hat er wahrlich geschafft. Man fiebert von Anfang bis Ende mit. Der Film ist extrem exhibitionistisch, so dass so mancher Reality-TV Zuschauer auf seine kosten kommt.
Ich hoffe, dass der Film auch bei uns zu sehen sein wird. Mehr darueber gibt es auf jeden Fall demnaechst bei der Filmspur. Jan Reiber erzaehlt uns persoenlich wie das mit seinen Vaetern so seinen lauf nahm.

Berlinale

Zurück zur Übersicht

Sag's weiter: