Leitung: Maximilian Latz, Nadja Heckelsberg

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Mac DeMarco und das Überraschungsmoment

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Sollte man jemals das Verlangen verspüren, Mac DeMarco und seine Musik in einem einzigen Gemälde festzuhalten, so wäre der Begriff „Vergänglichkeit“ wahrscheinlich die prägende Konstante. Selbst wenn das hieße, seine Inkarnation auf der rauen, weißen Leinwand entspräche eher dem in der bildenden Kunst beliebten Motiv eines fauligen Kernobstes, wäre er ein Unikat - mit Yin-Yang-Schirmmütze versteht sich.


Anti-Macho Mac DeMarco versichert sich beim Konzert am 10. November, ob noch alles sitzt.
Anna Kravcikova
Anti-Macho Mac DeMarco versichert sich beim Konzert am 10. November, ob noch alles sitzt.


In einem Zeitalter, in dem alles gnadenlos bis zum Erbrechen dokumentiert wird, bringt der Kanadier Mac DeMarco ein wenig Einzigartigkeit in den ewigen Einheitsbrei der Konzertlandschaft. Seinen Auftritten wird zu recht eine gewisse Verrücktheit zugeschrieben: Was im Laufe des Abends passiert, hängt immer von der Stimmung, gar Laune des Sängers und vom Publikum ab. Nur eines ist man sich sicher: Entertainment bis zur Ekstase.


Seit der Digitalisierung unseres Privatlebens erlebt man selten etwas, das noch nicht in exakt gleicher oder ähnlicher Form auf jeglichen Plattformen abrufbar ist.  Dies soll nun nicht pessimistisch oder depressiv klingen, aber viele sehen Konzerte daher schon als sekundär zu Spotify und Co. an. Warum auch den weiten Weg zum nächsten Musikclub auf sich nehmen, wenn man daheim gratis Musik hören kann? Dennoch verschafft Mac DeMarco seinen Auftritten eine in Stein gemeißelte Daseinsberechtigung, die auch den letzten Digital Native ruckartig aus seiner eingesessenen Couch verhilft.


Grimassen, wie sie nur ein Mac DeMarco kann.
Anna Kravcikova
Grimassen, wie sie nur ein Mac DeMarco kann.


Mac DeMarco kann man eher Punk als unglimpflich „Indie-Darling“ nennen. Seine Klamotten schmeißt er von sich, sobald er es für angebracht und bequem hält – egal, ob er sich gerade im eigenen Wohnzimmer oder vor tausenden Fans aufhält. Gerüchte kursieren über bizarre Dinge, wovon ein spontanes Urinieren auf Bühnen nur eines der Sahnehäubchen ist. Dementsprechend waren die Erwartungen an sein Konzert am 10. November 2017 in der Kantine in Köln hoch.


Hier hat jeder seinen eigenen Sinn für Mode: Montero heizten die Kantine gut auf.
Anna Kravcikova
Hier hat jeder seinen eigenen Sinn für Mode: Montero heizten die Kantine gut auf.


Als Supporting Act durfte das Publikum den Australier Ben Montero mit seiner teils adventlich gekleideten Band begrüßen: Sein Keyboarder an dem Abend ließ es sich nicht nehmen, einen Weihnachtsmantel in Rot-weiß zu tragen. „Montero“ ist Künstlername, der für Musik und Comics des Frontmanns steht. Bis dato noch in vielen Ohren unbekannt, erkannte man schnell das Potential der Vorband: Die überragenden Lieder „Vibrations“, „Adriana“ und „Tokin' The Night Away“ ließen das deutsche und teils englischsprachige Publikum, vor allem die überaus lautstarken Schotten und Engländer vorne rechts im Publikum, in Ekstase mitsingen.


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Jenseits der Bühne hat sich „Montero“ weltweit zu einem Indie-Hymnen-Favorit gemausert. Montero entpuppte sich aber auch für den Hauptact als denkwürdigen Mitspieler in anderen Disziplinen: Mithilfe ausartender, an Samuel T. Herring erinnernder Gestik und Mimik untermalte er seinen Auftritt in einer Art und Weise, die schwer nachzuahmen ist. Nur gut, dass Montero definitiv seine eigene Note mit in den Mix geschmissen hatte. Musikalisch erinnert Montero an eben Future Islands und mit der Single „Vibrations“ an Indie-Größe Arcade Fire.


Mac, da hast du wahre Konkurrenz bekommen!


Apropos, nun aber zum eigentlichen Anliegen des Konzerts: Mac DeMarco.


Drei Nächte vor der Show in Köln setzte sich Mac DeMarco im Hamburger Gruenspan kurzzeitig ans Schlagzeug. In der Kantine im Norden Kölns verspürte er dann doch spontan den Drang nach einem U2-Cover. Der Grund? Das Publikum hatte es ihm vorgesummt. Außerdem lieferte er eine fast schon manische Performance hin, als sein Gitarrist Andy, bürgerlich bekannt als  Andrew Charles White, ein sicherlich 10-minütiges Solo hinlegte. Stichwort hinlegen: Mac DeMarco fläzte sich vors Schlagzeug, sprang hinter den Verstärker und spielte Peekaboo mit seinen Fans. Rauf, runter, rauf - und wieder ab ans Mikro.


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Mac DeMarco ist ein Virtuose seines Kunstwerks. Kaum einer beherrscht das Überraschungsmoment wie er: Selbst bei Shows, die nur wenige Abende auseinanderliegen, bleibt er seiner Unberechenbarkeit auf der Bühne treu. Lässig, authentisch und wie ein Klassenclown unterhält er sein Publikum, als gäbe es kein Morgen mehr. Sich selbst als garantiert kein Perfektionist erklärt, bringt ihn eine Unüblichkeit wie ein viel zu leises Mikrofon und ein gälisch-schottisch lautes Zurufen der Fans nicht aus der Ruhe. Er bleibt er selbst, koste es, was es wolle. 


Seine Konzerte sind vielleicht wie jedes andere vergänglich, aber die Erinnerung daran bleibt eine unveränderte und eine, die haftet beim Konzertgänger.  Die jeweils einmaligen Einlagen seinerseits schreiben jedes Mal wieder Geschichte: Nichts ist wiederholbar - vor allem kein Mac DeMarco-Konzert. In seinen Augen sind wir als Zuschauer vielleicht  nur seine rosa Versuchskaninchen. Solange so welche brillanten Auftritte das Ergebnis sind, kann ich nur sagen: "Really, I'm fine."

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