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Die Rückkehr zum (fast) normalen Leben fällt nicht allen leicht

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Jack Lee/Unsplash

Die aktuellen Lockerungen der Kontaktbeschränkungen lösen bei vielen Menschen Freude über die zurückgewonnenen Freiheiten aus. Doch nicht allen fällt die Rückkehr zum sozialen Geschehen leicht. Während sich auf der einen Seite einige Menschen auf Kino-, Restaurant- oder Schwimmbad-Besuche freuen, hat die lange Zeit der Kontaktlosigkeit bei anderen Menschen Ängste begünstigt.

Sich nach der langen Lockdown-Zeit und der damit verbundenen Isolation erst wieder an vermehrte soziale Interaktionen und Treffen gewöhnen zu müssen, erscheint dabei zunächst ganz normal. Doch die langanhaltende, allgemeine Verunsicherung zu Pandemiezeiten kann auch Angststörungen verstärkt oder ausgelöst haben, wenn z.B. das soziale Verhalten von starker Vermeidung und Ängsten bestimmt wird.

Stephanie (30) zum Beispiel hält sich weiterhin von den meisten ihrer Bekannten fern und fühlt sich von den plötzlichen Lockerungen überrollt. „Ich war noch nie der übertrieben geselligste Mensch, aber aktuell zieht es mich weniger denn je unter Leute und nach draußen.“ Auch Begegnungen im Freien empfindet Stephanie teilweise als unangenehm.

Diplom-Psychologe Dr. Helmut Appel am Lehrstuhl für Klinische Psychologie und Psychotherapie der Universität zu Köln betont, dass „erhöhte Vorsicht in unsicherheitsbehafteten und potentiell bedrohlichen Situationen eine vollkommen normale und in vielen Fällen angemessene Reaktion“ sei. Dennoch unterscheiden sich Menschen darin, wie stark sie durch die Pandemie beeinträchtigt werden, so Appel. „Zum Beispiel scheinen Menschen, die Unsicherheit generell schlechter aushalten können, auch vermehrt Angst und Stress durch die aktuelle Pandemie zu empfinden“ – und diese erhöhte Unsicherheitsintoleranz könne schließlich dazu führen, dass es zu Überreaktionen kommt, also „zu einem übervorsichtigen Verhalten, das in keinem Verhältnis mehr zu tatsächlichen Gefährdungen steht“.

Expert*innen sprechen im öffentlichen Diskurs in Anbetracht dieses aufkommenden Phänomens auch vom so genannten „Cave-Syndrom“. Der Begriff beschreibt den Umstand, dass viele Menschen nach der Zeit des Social Distancings trotz großzügiger Lockerungen und hoher Impfraten wie etwa in den USA weiterhin soziale Kontakte meiden und die eigenen vier Wände so selten wie möglich verlassen.

Laut Dr. Helmut Appel ist es in solchen Fällen wichtig, dass Personen sich Stück für Stück mit den eigentlich ungefährlichen Situationen konfrontieren, die sie vermeiden. „Denn es ist nicht nur so, dass wir vorsichtiger werden, wenn wir uns fürchten, sondern wir fürchten uns auch mehr, wenn wir uns (über-) vorsichtig verhalten.“ Dieses übervorsichtige Verhalten könne somit zur Entstehung und Aufrechterhaltung von Ängsten beitragen. Deshalb betont Dr. Helmut Appel: „Wenn kein objektiver Grund besteht, sich so zu verhalten, dann ist Fortführung des vorsichtigen Verhaltens also eher kontraproduktiv und sollte bewusst Schritt für Schritt abgebaut werden.“ Dennoch sei In der gegenwärtigen Situation die objektive Gefährlichkeit von Situationen schwerer zu beurteilen, weshalb auch übervorsichtiges Verhalten nicht immer klar zu identifizieren sei. Im Extremfall, also zum Beispiel bei hohem Leidensdruck oder langfristigen Folgen, sei es jedoch ratsam, sich in diesem Prozess professionelle Unterstützung etwa in Form von therapeutischer Begleitung einzuholen.

Dass soziale Kontakte wichtig für unsere psychische Gesundheit sind, wurde in der Wissenschaft bereits mehrfach erforscht. Eine aktuelle Studie von Forscher*innen des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit (ZI) sowie des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) hat zum Beispiel erwiesen, dass das psychische Wohlbefinden im Alltag in Gesellschaft anderer Menschen erhöht ist. Darüber hinaus gilt die soziale Unterstützung von Mitmenschen als wesentlicher Beitrag für die psychische Gesundheit. Deshalb wird die Förderung von Sozialkontakten gerade auch in Anbetracht pandemiebedingter Verunsicherungen und Ängste empfohlen.

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