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Glühbirne | Schlechter Sex in Büchern

Verfasst von Tamara Plempe am

Die renommierte britische Zeitschrift Literary Review verleiht jedes Jahr den Bad Sex in Fiction Award für schlecht geschriebene, krude, geschmacklose, überflüssige oder schlichtweg skurrile Sexszenen in modernen Romanen. Am 3.12.2018 ist es in London wieder soweit, und die Fabrikationen der diesjährigen Nominierten können sich durchaus sehen lassen.

(CC-0) StockSnap / pixabay.com

 

Ein Preis zur Verhinderung schlechter Sexszenen


Ins Leben gerufen wurde der Negativpreis 1993 von damaligen Chefredakteur der Literary Review, Auberon Waugh, und der Literaturkritikerin Rhoda Koenig. Seine Verleihung soll auf die oft nachlässig und schlecht geschriebenen Sexszenen in ansonsten sehr guten modernen Romanen aufmerksam machen und dafür sorgen, dass solche in Zukunft verhindert oder zumindest besser geschrieben werden. Ausdrücklich erotische oder pornographische Literatur wird dabei nicht berücksichtigt (falls sich der ein oder andere schon gefragt haben sollte, ob 50 Shades of Grey nicht die meisten Trophäen der letzten Jahre hätte einsammeln müssen).

Unter den bisherigen Preisträgern finden sich so illustre Namen wie Tom Wolfe oder Norman Mailer: Ein Beweis dafür, dass auch namhafte und hochgeachtete Autoren nicht vor diesem Award sicher sind.


 Ziehharmonikas und Lutschtabletten


 Wenn man in die Geschichte des Bad Sex in Fiction Awards eintaucht und die Gewinnerpassagen der vergangenen Jahre durchliest, kommt man aus dem Staunen nicht wieder heraus. Die Literary Review listet eine wahre Fundgrube an Sexszenen auf, bei denen sich dem Leser die Nackenhaare aufstellen - aber nicht im positiven Sinne.

Unter den Nominierten befindet sich in diesem Jahr beispielsweise der Abenteuerroman Scoundrels von den Autoren Major Victor Cornwall und Major Arthur St. John Trevelyan, in dem unter Anderen die Rede ist von einer "Lusthöhle", einer "vaginalen Rastung", die sich "bewegt in Ziehharmonika-artigen Wellen" und das "Organ" des männlichen Ich-Erzählers "verschlingt [...] wie eine boa constrictor ihre Beute". Kein Wunder, dass der Held sich danach sehnt, "dass die Zahnräder ihrer Eisernen Jungfrau meine Eichel in ihr umherreiben, wie ein Opernsänger mit einer Lutschtablette".


 Seerobben und Nähmaschinen


 Farbenfrohe Metaphern für die Geschlechtsteile und den sexuellen Akt an sich standen bei modernen Romanautoren scheinbar schon immer hoch im Kurs. Die männlichen Genitalien werden wahlweise als "Eisenstängel" (Erica Jong, Of Blessed Memory), "Billiardstock" (Christopher Bollen, The Destroyers) oder auch charmant als "Hautflöte" (David Guterson, Ed King) umschrieben.

Auch Vergleiche mit Tieren sind sehr beliebt: Erica Jong beschreibt beispielsweise in ihrem Epos Of Blessed Memory, wie eine Figur beim Orgasmus erzittert, knurrt und "die Geräusche einer Seerobbe von sich gibt, die den arktischen Mond anbellt".

Ähnlich heißt es bei Nicholas Royle in The Matter of the Heart: "Sie wand sich auf dem Bett und machte ein Geräusch, das wie eine Mischung aus einer gestrandeten Seerobbe und einer Polizeisirene klang". Die Charaktere haben danach eine Weile ziemlich konventionellen Sex, bis zu dieser Stelle: "Er wurde langsam schneller und gewann an Rhythmus, bis er ebenmäßig wie eine Nähmaschine aus ihr herein- und rausstach."

Genauso mechanisch scheint es in Rowan Somervilles Buch The Shape of Her zuzugehen: "Wie ein Schmetterlingskundler ein harthäutiges Insekt mit einer zu stumpfen Nadel an die Wand schraubt, so schraubte er sich in sie."


 Lust oder Ekel?


 Auch für andere sexuelle Aktivitäten finden Schriftsteller oft die passenden Worte. Jonathan Safran Froers Roman Here I Am erzählt von einem Mann, der "mit der Entschlossenheit eines Bergsteigers [masturbiert], der den Gipfel des Everest im Blick hat".

Interessant wird es, wenn die Autoren versuchen, die Gefühlswelt der Beteiligten mit einzubeziehen. In Janet Ellis' The Butchers Hook gibt die Ich-Erzählerin beim Geschlechtsakt ein Stöhnen von sich, dass ihren Partner zu dieser Aussage veranlasst: "Bisher dachte ich immer, das schönste Geräusch der Welt sind Kühe, wenn sie Gras fressen, aber das hier ist besser." Woraufhin sie sich freudig bewegt und damit "alle Gedanken an Nutztiere aus seinem Kopf" vertreibt.

Manchmal fragt man sich, ob die Szenen beim Leser überhaupt Erregung auslösen sollen oder doch eher bewusst Ekel provoziert wird, wie zum Beispiel bei diesem Auszug aus Tom Wolfes I Am Charlotte Simmons: "Glitsch glitsch glitsch machte die Zunge.". Noch anstößiger schreibt Norman Mailer in The castle in the forest, dass das Glied einer Figur nun "so weich" ist "wie die Windung eines Exkrements".*

Wer sich als Leser von einer solchen Szene erotische Anregung erhofft hat, dem dürfte es so gehen wie den Protagonisten in Vikram Chandras Werk Love and Longing in Bombay: "Mit einem traurigen Plopp fiel das Kondom neben dem Bett zu Boden."


 No more Bad Sex in Fiction?


 Literarische Ergüsse dieser Art beweisen die Notwendigkeit des Bad Sex in Fiction Awards. Der Gründer Aberon Waugh bedauerte, dass er als Literaturkritiker oftmals durch unnötige, oberflächliche und schlecht geschriebene Sexszene aus einer sonst guten Geschichte herausgerissen wurde. Er vermutete, dass die meisten Autoren sich verpflichtet fühlen, mindestens eine erotische Passage einzubauen, möglicherweise auch auf Druck des Verlags hin, weil Sex und Skandal sich gut verkaufen. Der Preis soll auf diese Szenen aufmerksam machen und Schriftsteller davon abbringen, Geschmacklosigkeiten zu produzieren. Ein nachvollziehbares Ziel, aber trotzdem ist zu hoffen, dass auch in Zukunft den Autoren weiter solche Ausrutscher passieren - denn deren Unterhaltungswert ist unschätzbar, und dem Bad Sex in Fiction Award verdanken wir, dass sie ins Licht der Öffentlichkeit gerückt werden.

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