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Frühstückslektüre | Stirb langsam - Die Lebenserwartung der Deutschen

Verfasst von Tamara Plempe am

Die Deutschen haben die niedrigste Lebenserwartung in ganz Westeuropa. Das hat die Auswertung einer neuen WHO-Studie ergeben, in der Forscher Daten aus über 195 Ländern zusammengetragen haben, um altersspezifische Sterberaten zu berechnen. Dabei konnten sie auffällige regionale Unterschiede feststellen.

(CC-0) Free-Photos / pixabay.com

Schweizer leben länger

Beispielsweise leben Deutsche durchschnittlich ein Jahr weniger als andere Europäer. Zum Vergleich: Schweizer haben im Schnitt eine Lebenserwartung von 83,89 Jahren, die Griechen etwa 81 Jahre - Deutsche werden dagegen nur 80,6 Jahre alt.

Das belegt die aktuelle Gesundheitsstudie des Projekts, das Anfang der Neunziger von der Harvard University, der Weltgesundheitsorganisation WHO und der Weltbank ins Leben gerufen wurde, die sogenannte "Global Burden of Disease". Darin werden seit Jahren Rechnungen zur Häufigkeit von Todesfällen, Krankheiten und Risikofaktoren in verschiedenen Regionen und Bevölkerungsgruppen durchgeführt. Mit Hilfe dieser Daten kann die Politik z. B. bessere Entscheidungen über weitere Ziele, Entwicklungsschritte und Prävention treffen.

Weltweite Fortschritte

Die guten Nachrichten sind zum Einen, dass die Lebenserwartung weltweit seit 1950 um fast 50 % angestiegen ist: Damals wurden Männer normalerweise ca. 48 und Frauen 52 Jahre alt, heute sind es 70 bzw. 75 Jahre. Zum Anderen ist auch die Kindersterblichkeit stark gesunken: Die Mortalitätsrate für Kinder unter 5 Jahren betrug 1950 noch 216 Todesfälle auf 1000 Geburten, heute sind es nur noch 38,9. Dafür macht die Studie die weltweiten medizinischen und technischen Fortschritte verantwortlich, die zu einer Verringerung der Risikofaktoren geführt haben, z. B. im Bereich Hygiene.

Dabei gibt es immer noch große regionale Unterschiede: Die global niedrigste Lebenserwartung haben Menschen in Subsahara-Ländern mit etwa 63,9 Jahren. In der Republik Zentralafrika kommen die Einwohner sogar auf weniger als 50 Jahre, während Mädchen in Singapur knapp 88 Jahre alt werden können.

In Westeuropa leben Neugeborene vorraussichtlich etwa 10 Jahre länger als Osteuropäer. Deutschland bildet jedoch von allen 22 untersuchten westeuropäischen Ländern* das Schlusslicht mit einer Lebenserwartung von 78,2 Jahren für Männer und 83 für Frauen. Am längsten leben Männer in der Schweiz (82,1 Jahre) und Frauen in Spanien (85,8 Jahre).

Ein Risikofaktor: Ungesunder Lebensstil

Warum Deutschland im internationalen Vergleich trotz der sehr guten Gesundheitsversorgung und der medizinischen Möglichkeiten so schlecht abschneidet, wird in der Studie selbst nicht weiter erklärt. Der Forscher Pavel Griegoriv vom Max-Planck-Institut für Demografische Forschung in Rostock vermutet auf "FOCUS Online", dass die Deutschen einen ungesunden Lebensstil pflegen. In Mittelmeer-Ländern wie Spaniern gebe es weniger Herz-Kreislauf-Erkrankungen, da sich die Menschen dort viel von Gemüse, Obst, Salaten und Hülsenfrüchten ernähren. Deutsche essen dagegen eher fett- und kalorienreich. Dazu käme noch ein großer Mangel an Bewegung und zuviel Tabak- und Alkoholkonsum in der Bundesrepublik.

Die Mortalitätsraten geben aber weltweit Anlass zur Besorgnis, weil sie in vielen Fällen seit Jahren stagnieren und teilweise sogar steigen, was bedeutet, dass viele Menschen tendenziell immer ungesünder leben.

Mehr Bevölkerung, mehr Todesfälle?

Spannend ist auch, dass die Bevölkerung sich in den letzten 70 Jahren mehr als verdoppelt hat: Von rund 3 Milliarden im Jahr 1950 auf etwa 8 Milliarden heute. Die Anzahl der globalen Todesfälle ist dabei aber relativ gleichgeblieben und seitdem nur auf etwa 10 Millionen Tode mehr pro Jahr angestiegen.

Nordafrika und der Mittlere Osten haben in diesem Zeitraum die größte Entwicklung durchgemacht: Dort hat sich die Lebenserwartung seit 1950 von ca. 42 Jahren auf 74 Jahre erhöht. Am wenigsten hat sich in Zentraleuropa, Osteuropa und Zentralasien getan: Hier sind jeweils nur etwa 11 Jahre dazugekommen.

Ausblick

Die GBD erklärt, dass zu einer höheren Lebenserwartung vor allem Faktoren wie besserer Bildungszugang, medizinische Entwicklung, höhere Einkommen und verbesserte Technologien beitragen. Gleichzeitig wirken sich einzelne Ereignisse wie Kriege oder Hungersnöte natürlich auch auf die Mortalitätsraten aus und sorgen für regionale Ausschläge. In den Neunziger Jahren gab es beispielsweise auch Einbrüche der Lebenserwartungszahlen wegen der Verbreitung von HIV, einer höheren Todesrate in der früheren Sowjetunion und einem generellen Anstieg von Drogentoten und Suiziden. Gründe dafür, dass die Lebenserwartung auch in der heutigen Zeit manchmal einbricht, sieht die GBD vor allem in häufigem Übergewicht und der Opiatkrise, die auch in den USA und europäischen Großstädten um sich greift. Durch solche Phänomene steigt die Mortalitätsrate. Hier bleibe hinsichtlich der Prävention, Aufklärung und Gesundheitsvorsorge noch einiges zu tun.


*Dazu zählen: Andorra, Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Island, Israel, Italien, Luxembourg, Malta, Niederlanden, Norwegen, Portugal, Österreich, Schweden, Schweiz, Spanien, Vereinigtes Königreich, Zypern.










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