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Glühbirne I Forever young? Über das Älterwerden und Altsein

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Man ist es bekanntlich nur so, wie man sich fühlt – zumindest laut Sprichwort. Alt. So richtig positiv besetzt ist das kleine Wort mit den drei Buchstaben ja nicht, wenn sich schon Studierende vor ihrem 30. Geburtstag fürchten. Wie denkt die Gesellschaft eigentlich über das Älterwerden und wie werden Menschen fernab der 65 heutzutage repräsentiert?

(CC-0) pasja1000 / pixabay.com

Zu uncool für Diversity?

Nicht erst seit der Ehe für alle und dem dritten Geschlecht ist klar: Unsere Gesellschaft soll mehr Vielfalt beinhalten – mehr Weltanschauungen, Geschlechter, ethnische Herkunft, sexuelle Orientierungen und Religionen. Die meisten Menschen haben jedoch, so unterschiedlich sie auch sein mögen, etwas gemeinsam. Sie wollen möglichst lange leben – und dabei paradoxerweise so jung wie möglich sein. Diversity ist modern und am Puls der Zeit. „Alt“ wird häufig mit „veraltet“ gleichgesetzt – und ist damit womöglich nicht cool genug für unser neuestes Gesellschaftskonzept. Das klingt zynisch – aber zumindest in der Debatte um mehr Vielfalt scheint unser steigendes Alter verhältnismäßig wenig stattzufinden.

Alt, älter, Deutschland?

Die Zahlen zeigen jedoch: Älter werden ist uns überaus präsent. 2017 waren ca. 17,7 Millionen Menschen in Deutschland über 65 Jahre alt. Also über 20 Prozent der Bevölkerung. Dass wir immer älter werden ist eigentlich eine positive Entwicklung – denn es lässt Rückschlüsse auf politische Sicherheit und die erfolgreiche Bekämpfung von Krankheiten zu. Doch beim Wort „Demografischer Wandel“ wird wohl allzu oft an Vergreisung gedacht.
Wer googled, ab welchem Alter man offiziell als alt gilt, findet keine klaren Antworten: Das sei individuell, eine Einstellungssache, von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Die Weltgesundheitsorganisation WHO liefert hingegen konkrete Zahlen und spricht beim Thema Älterwerden in Deutschland von Menschen ab 65 Jahren. Bezeichnenderweise ist das Thema des Alterns auf der Website schwer zu finden. Den Themenbereich der gesunden Lebenserwartung verbirgt sich hinter der Rubrik namens „Mortality“ - Sterblichkeit. Autsch. Denken wir wirklich so schlecht über den sogenannten „Herbst des Lebens“?

Rüstige Rentner in der Werbung

Ein Blick in die Medien könnte diese Frage vielleicht beantworten. Doch trotz der fast 18 Millionen Senioren scheint Altsein medial nur als Nischenthema verhandelt zu werden. Im Gegensatz dazu stehen zahlreiche Zeitschriften, Serien und Filme, deren zentrales Thema die Jugendlichkeit ist. Ein Blick ins aktuelle Fernsehprogramm suggeriert: Das Leben findet von 20 bis 60 statt. Die großartige Kolumne einer älteren Frau in der SZ heißt liebevoll „Seniorenkolumne“ - als wäre Altsein ihre einzige Eigenschaft.
Kann denn zumindest die Werbung ältere Menschen adäquat repräsentieren? Immerhin sind Senioren auch eine bedeutende Verbrauchergruppe. Und siehe da: Neben kaum volljährigen Models und gut betuchten Familien finden sich in den Spots auch – Überraschung! - rüstige Rentner. Ihre Agilität wird in der Werbung meist auf diverse Medikamente zurückgeführt. Da hilft es auch nichts, wenn die über 70 Jahre alte Stilikone Günther Krabbenhöft durch die Werbepause tanzt. Auch die Altersforschung sieht Beispiele wie den „ältesten Hipster Berlins“ nicht nur als positiv an: Superfitte Rentner in der Werbung könnten Druck ausüben auf die, die ohnehin schon mit Problemen kämpfen.

Weniger Treppenlift, mehr Realness

Einen Artikel über das Altsein, -werden und sich-fühlen zu schreiben heißt vor allem eins: Sich zu fragen, wie man selbst darüber denkt. Denn neben medikamentenlastiger Werbung, dubiosen Foreneinträgen und der Rente ab 67 gibt das Internet erschreckend wenig zu einem Thema her, was nicht nur die mehr als 20 Prozent an Rentnern interessieren dürfte. Während Songs, Bücher und Filme das Jung-Sein in den Himmel loben, findet Alt-Sein ganz einfach nicht statt. Und wenn, dann häufig in Klischees à la Treppenlift. Zeit, das Thema etwas wahrheitsgemäßer anzugehen.

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