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Früchstückslektüre | Krieg der Welten - Fake News aus dem Weltraum

Verfasst von Tamara Plempe am

Heute vor genau 80 Jahren strahlte der amerikanische Radiosender CBS eins der berühmtesten und wohl auch berüchtigtsten Hörspiele aller Zeiten aus: "Krieg der Welten", inszeniert und eingesprochen von Orson Welles. Berüchtigt deshalb, weil die Geschichte über eine Attacke von Außerirdischen auf die Erde so überzeugend gemacht war, dass sie der Presse zufolge eine Massenpanik unter den Hörern auslöste, die glaubten, die Welt stünde tatsächlich unter Beschuss.

(CC-0) kalhh / pixabay.com


Die Invasion der Marsmenschen


Als Vorlage diente der bereits 1898 veröffentlichte, gleichnamige Roman von H. G. Wells, dem britischen Schriftsteller und Pionier der Science-Fiction-Literatur, der in diesem Werk das Motiv der Alien-Invasion erfand und damit den Grundstein für alle späteren Filme, Bücher oder Spiele legte, die sich mit Außerirdischen beschäftigen.
Der Plot ist simpel: Ein scheinbarer Meteor schlägt auf der Erde ein, der sich allerdings als das Raumschiff der Invasoren vom Mars entpuppt. Diese nehmen alle Menschen gefangen, die sich ihnen nähern, und greifen in dreibeinigen Kampfmaschinen England an, um von dort aus die gesamte Welt zu erobern. Die irdischen Streitkräfte sind gegen die Attacke machtlos und müssen der Zerstörung des Landes zusehen; und da das viktorianische Großbritannien um die Jahrhundertwende eine der technologisch fortgeschrittensten und militärisch stärksten Nationen der Welt ist, werden die Marsianer nach ihrem Siegeszug dort vermutlich auch den Rest der Erde problemlos einnehmen können. Am Ende werden die Aliens jedoch von den terrestrischen Bakterien vernichtet, weil ihr Immunsystem auf diese nicht vorbereitet ist.

Wells' Roman war eigentlich als Satire auf die Kolonialpolitik des britischen Empires gedacht, wobei die Rollen von Opfern und Eroberern zu Ungunsten der Briten vertauscht wurden. Der Schluss der Erzählung war ein zusätzlicher Seitenhieb auf das Selbstbild der Nation, da eins der mächtigsten und einflussreichsten Länder der Welt ausgerechnet von der niedrigsten und primitivsten Lebensform von allen vor dem Untergang bewahrt wird.


"Wir unterbrechen das Programm für eine wichtige Meldung..."


40 Jahre nach seinem ersten Erscheinen wurde das Buch von Orson Welles und dem Mercury Theatre nach einem Drehbuch von Howard Koch als Hörspiel in Form einer fiktiven Reportage inszeniert und am Vorabend von Halloween, dem 30.10.1938, auf CBS ausgestrahlt. Der Handlungsort wurde dafür nach New Jersey gelegt und die Erzählung in die USA der damaligen Zeit versetzt, um sie für das amerikanische Publikum realistischer wirken zu lassen. Dabei schossen die Produzenten allerdings wohl etwas übers Ziel hinaus: Zeitungsberichten zufolge sorgte die Sendung für massive Irritationen bei den Einwohnern von New York und New Jersey, die sie für eine echte Reportage hielten. Grund dafür war unter Anderem, wie überzeugend das Hörspiel gemacht war: Welles benutzte eine neue Art der Einspielung, indem er die Sendung einen Tag vorher aufnahm und sie dann mit Musik unterlegte, wodurch die Aufnahmen wie ein ganz gewöhnliches Radioprogramm wirkten, in denen der Moderator ab und zu die Musik unterbricht, um neue Erkenntnisse über seltsame Explosionen auf dem Mars und dem Einschlag eines Meteoriten in den USA bekanntzugeben, und die Zuhörer dann über die darauf folgende Invasion auf dem Laufenden zu halten.

Die Presse berichtete von einer einsetzenden Massenpanik, da die Menschen glaubten, sie stünden tatsächlich unter außerirdischem Beschuss: Die Krankenhäuser mussten Schockpatienten behandeln, viele flohen aus ihren Häusern, einige sollen sogar Suizid begangen haben. Diese Geschichten sind bis heute im Zusammenhang mit "Krieg der Welten" im Gedächtnis geblieben, obwohl die kommunikationswissenschaftliche Forschung davon ausgeht, dass es die berühmte Massenpanik so nie gegeben hat. Sie ist ein Medienmythos, eine urbane Legende: Wahrscheinlich war sie eine Erfindung der Tageszeitungen, die mit dieser sensationellen Geschichte das Konkurrenzmedium Radio diskreditieren und als verantwortungslos brandmarken wollten. Weder Schockpatienten noch Selbstmorde infolge des Hörspiels ließen sich nachweisen; zwar war das Anruferaufkommen bei CBS höher als sonst und viele Menschen glaubten tatsächlich, dass sie einen echten Bericht hörten, reagierten jedoch viel rationaler als in der Presse dargestellt. Es wurden zahlreiche Briefe und Telegramme sichergestellt, in denen Amerikaner Welles zu seinem genialen Einfall und seiner neuen Technik gratulierten, nachdem sie erfahren hatten, dass die Geschichte Fiktion ist.

Orson Welles wurde durch diese Vorfälle weltberühmt; er sagte selbst, dass er niemals mit einem solch weitreichenden Erfolg gerechnet hätte und die Sendenähe zu Halloween damals gesucht habe, um überhaupt auf irgendeine Art aufzufallen.


Die Macht der Medien


Die Berichte über die Wirkungen des Hörspiels wurden sogar einige Monate später von Adolf Hitler in seiner Reichstagsrede am 28. April 1939 aufgegriffen, in der er die Zeitungen für ihre "künstliche[] Panikmache" und ihre "ungezügelte[], ebenso verlogene[] wie niederträchtige[] Pressehetze" verurteilte, mit der sie Angst und Schrecken in der Bevölkerung verbreiteten, und die sogar so weit geführt habe, dass Angriffe aus dem Weltall für möglich gehalten wurden.

Das Hörspiel selbst hat an seiner Wirkmacht über die Jahre hinweg erstaunlicherweise nichts verloren: 1949 beispielsweise wurde in Quito eine nach Ecuador verlegte Version der Geschichte ausgestrahlt, die tatsächlich eine Panik auslöste. Als die Menschen erfuhren, dass der Bericht nicht echt war, versammelte sich ein aufgebrachter Mob vor der Radiostation und setzte diese in Brand. 1977 sendete der WDR eine neue Aufnahme, bei der auch bekannte deutsche Radiojournalisten als Ansager und Moderatoren mitwirkten. Trotz vieler eingestreuter Hinweise auf den fiktionalen Charakter gingen viele besorgte Anrufe beim Sender ein. Ebenso wurde zu Halloween 2010 auf dem Hamburger Radiosender oldie95 eine überarbeitete Ausgabe gesendet, bei der diesmal Hamburger Originalschauplätze in die Handlung eingebaut wurden, und auch dort meldeten sich einige verängstigte Bürger der Stadt telefonisch zu Wort.

Auch wenn das Hörspiel heute 80 Jahre alt wird, stellt der Mythos um "Krieg der Welten" gerade in Zeiten von Fake News und "alternativen Fakten" immer noch aktuelle Fragen nach der Macht von Medien - und der Macht von Falschmeldungen.




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