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Frühstückslektüre | Pauschale Nostalgie

Verfasst von Lea Rosa Nima Oreyzi am

Man hört ihn ständig, in jedem erdenklichen Zusammenhang, der immer gleich im Singsang klingende Satz “Früher war alles besser”. Diese Sehnsucht nach einer Vergangenheit in der die meisten von uns gar nicht gelebt haben und die wir nur aufgrund von Filmen und Musik so unglaublich faszinierend finden, ist fragwürdig.

(CC-0) blickpixel / pixabay.com

Was war denn früher besser? In welchen Krieg wünscht man sich zurück, welche Armut will man erleiden und mit welcher Unaufgeklärtheit oder Ungerechtigkeit will man sich weiterhin rumschlagen? Wie romantisch ist es wirklich, an einer Erkältung zu sterben oder wochenlang auf den Antwortbrief seines Geliebten zu warten, der dann doch mit der Post verloren gegangen ist? Will man auf Verhütungsmittel verzichten? 


Der Satz ‘Früher war alles besser’ basiert auf dem gleichen Prinzip wie ‘Die Wiese des Nachbarn ist immer grüner’. Es geht also um den modernen Menschen, der scheinbar nie das wertschätzen kann, was er selbst aktuell hat oder ist. Eine weitere Ähnlichkeit dieser beiden Sätze findet sich in der pauschalisierenden Wortwahl wieder. Worte wie 'immer' und 'alles' verfälschen unsere Aussagen und führen nicht nur zu Streit zwischen Paaren, sondern weitesgehend auch zwischen ganzen Nationen, Geschlechtern, Religionen, Generationen und Gesellschaftsschichten.

Pauschalisierung dient uns zum Sortieren und somit zum Vereinfachen. Durch dieses Schubladendenken werden einige Dinge im Gegenzug allerdings sehr viel komplizierter. Es lässt sich nämlich nicht immer alles verallgemeinern und es mag ja sein, dass zu Elvis Zeiten Musik noch einen anderen, ja vielleicht besseren Stellenwert hatte, aber das heißt noch lange nicht das früher ALLES besser war.

Zudem bezieht sich dieser Satz auf zwei völlig unterschiedliche Bereiche, dieses Früher, ist ein subjektiver Phantasiebegriff, der nie wirklich geklärt wird. Manche meinen mit diesem ominösen Früher nämlich ihr subjektives Früher, welches sich auf die eigene Lebenszeit bezieht und damit meist die Kindheit meint. Andere wiederum reden von einem objektiven Früher, das FRÜHER der Menschheitsgeschichte. Und auch hier liegt ein Problem: 

Dieses eine Früher, gibt es nämlich nicht.  Jeder einzelne Tag wird irgendwann ein Früher sein. Was bringt es uns also, in der Vergangenheit zu leben und an diesem Früher zu kleben, es uns zurückholen zu wollen?  Früher und heute werden sich nie überschneiden, es ist also vergeblich auf den Tag zu warten an dem sie es doch tun.

Der Mensch wartet.

Und das ist es, was uns doch von den Tieren unterscheiden soll. das Zeitgefüh, die Frage nach der Zukunft aber genauso eben auch, die Frage nach der Vergangenheit und das dazugehöriger 'von-ihr-nicht-loskommen'.

Was soll passieren nach Aussprache dieses schon viel zu oft genannten Satzes? Was erhofft sich der Aussprechende außer allgemeiner Zustimmung? Es wird nichts passieren, außer die sich stetig weiter ausbreitende Unzufriedenheit, die passiver kaum sein könnte. Kein Gegenstand der Vergangenheit wird je vollends verschwinden, er ist Teil unserer Geschichte, was gut so ist. Aber genauso gut ist es, dass es mittlerweile andere Optionen gibt die besser funktionieren, ökonomischer und schneller sind.


Ich mache selber Analogfotos und habe einen Plattenspieler zuhause, was nicht heißt, dass ich die Fotofunktion meines Smartphones nicht sehr schätze und nutze oder auf dem selben nicht eine digitale Mediathek von über 4000 Lieder hätte. Denn beides hat seine Vorzüge, der Plattenspieler hat vielleicht mehr Charme als eine App zu öffnen, aber der ist auch nicht so leicht zu transportieren.

Wir sollten bereit sein für den Fortschritt, um ihn zu akzeptieren und zu nutzen statt ihn länger konsequent abzulehnen und uns in das phantastische Früher zurück zu wünschen.

Frühstückslektüre

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