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„Es geht darum, das Besondere herauszuarbeiten, daraus Bewegung zu kreieren“

Verfasst von Luise Butzer am

Interview mit der Choreographin und Gründerin der DIN A 13 tanzkompanie Gerda König

Gerda König hat damals an der Uni Köln Psychologie studiert und fand dann ihren Weg zum zeitgenössischen Tanz. Sie ist eine der Pionierinnen des mixed abled Tanz und hat damit seit dreißig Jahren die Tanzszene bereichert. Ich habe sie zu einem Interview getroffen.

(Foto: Elise Fitte-Duval)


Gerda König, du hast an der Uni Köln damals Psychologie studiert. Wie kamst du zum Tanz?


Das war Zufall. Durch eine Freundin von mir, die damals Tanz in Amsterdam studiert hat, hatte ich viel Einblick in zeitgenössischen Tanz. Und ich war hier in Köln dann bei einem Showing (einer kleinen Vorführung), unter anderem Kontaktimprovisation (Tanzform bei der mehrere Menschen, miteinander tänzerisch improvisieren). Da war Alito Alessi, das war damals der Pionier von mixed abled Tanz in den USA, in Eugene. Das war ein Zufall, dass ich ihn kennenlernte und dann kurzfristig später nach Bregenz in Österreich gefahren bin um einen Workshop zu machen. Ich war damals einfach völlig fasziniert von der Arbeit, weil es unglaublich viele Facetten offenlegt.

Weil eigentlich das was Tanz ist und was Ästhetik, Perfektion, Schönheit ist, einfach all das wurde auf den Kopf gestellt. Und dann hatte ich großes Glück, dass damals in Köln an der Sporthochschule eine Gruppe existierte, damals mit dem Namen Mobiaki, die semiprofessionell mixed abled gearbeitet hat. Das gab's damals in Deutschland sonst noch gar nicht. Und damit habe ich angefangen. Ich habe dann drei Jahre mit denen gearbeitet und dann 1995 DIN A 13 gegründet.


Woher kommt der Name Din A 13 tanzkompanie?


Also erst mal gab es damals 13 Mitglieder. Und Din A als Deutsche Industrienorm und es sind eigentlich, wie man das ja kennt, eben Papierformate so wie Din A 4 oder Din A 5. Und Din A 13 gibt es nicht. Din A 13 wäre ganz klein, so wie eine Briefmarke. Das gibt es als Normgröße gar nicht. Und da wir 13 waren, haben wir uns damals DIN A 13 genannt.


Was ist das besondere an der Tanzkompanie?


Das Besondere ist, dass wir mit professionellen Tänzern arbeiten und Tänzern mit einer körperlichen Besonderheit. Und das jetzt seit 23 Jahren. Seit ich die Kompanie 1995 gegründet habe, arbeiten wir zusammen in unterschiedlichen Formationen. Ich habe ein festes Team von Leuten, unter anderem Gitta Roser, mit der ich seit mehr als 18 Jahren zusammenarbeite. Wir sind seit 2005 international tätig und arbeiten dabei viel mit dem Goethe Institut zusammen. Viel in Ländern in Afrika, Asien und Lateinamerika. Mit dem Ziel auch dort neue mixed abled Kompanien zu initiieren. Als ich DIN A 13 gegründet habe, gab es noch nicht viele von diesen Kompanien international. In Deutschland zu dem Zeitpunkt noch gar keine. Für uns war es wichtig, dass sich das im zeitgenössischen Tanz etabliert. Also es war kein Inklusionsansatz oder Integrationsansatz, sondern mir ging es wirklich ganz speziell um Tanz und Kunst.


Wart ihr damit erfolgreich, das Genre im Zeitgenössischen Tanz zu etablieren?


Ja ich denke schon, dass wir in dem Bereich Pionierarbeit geleistet haben. Es war natürlich in den Anfangsjahren total schwierig, weil man das nicht kannte, weil wir nicht in die üblichen Klischees und Raster des zeitgenössischen Tanzes passten. Und wir hatten auch Schwierigkeiten mit Förderungen und all solchen Sachen. Aber dadurch, dass wir einfach gute Arbeit gemacht haben und gute Tanzkritiken bekommen haben, haben irgendwann auch die Förderer für Tanz und Kunst das Projekt immer weiter gefördert und finanziert. So konnten wir uns mehr und mehr etablieren.


Du würdest deine Kompanie nicht als Inklusionsprojekt bezeichnen? Wieso nicht?


Weil von uns von Anfang an die Intention nicht daran galt, pädagogische Arbeit zu machen oder Integration, sondern uns ging es speziell um Kunst, um Tanz, um Bewegung. Und der Fokus war nur darauf, ich hatte keinerlei Interesse an sonstigen Integrationsansätzen. Und das war damals eher schwer das – speziell für die Presse – anders zu thematisieren. Das war eher schwer gerade für Zuschauer und die Presse das genau gegen gesetzt zu positionieren. Man musste immer darauf achten, das Thema ist ganz schnell auf der Bühne, sobald ich einen Tänzer habe mit einer körperlichen Besonderheit. Dann ist die Fragestellung sofort im Kopf, dass es irgendwas mit Behinderung zu tun hat und man muss eigentlich eher aufpassen, dass man die Inszenierung so kreiert, dass genau das Gegenteil passiert. Oder dass man Fragen stellt oder provokant ist. Dass man in Dialog tritt oder man einfach das was man auf der Bühne zeigt in eine Kontroverse setzt. Und das ist glaube ich von Anfang an unser Ansatz gewesen den Zuschauern nicht das zu liefern, was sie erwarten.

(Foto: din-a13.de)


"ein Körper mit einer besonderen Bewegungsqualität kreiert einfach so viele neue Formen von Bewegung, die ein professioneller Tänzer niemals von sich selbst aus kreieren würde“


Können Menschen mit für die Zuschauer ungewohnten Körpern eine Inspiration für andere Tänzerinnen und Tänzer sein?


Oh sehr! Weil ich glaube, dass ein Körper mit einer besonderen Bewegungsqualität einfach so viele neue Formen von Bewegung kreiert, die ein professioneller Tänzer niemals von sich selbst kreieren würde. Und somit ist das eine Bereicherung für den zeitgenössischen Tanz. Wenn ich mit Tänzern arbeite, die eine körperliche Besonderheit haben wird ebenso auch der Tanz der anderen weiterentwickelt.


Die Kompanie besteht nun mit unterschiedlicher Besetzung seit 23 Jahren. Gab es ein persönliches High Light deiner Karriere?


Nein, ich glaube das kann ich nicht sagen. Also ich glaube, speziell seit 2005 als wir erstmals international gearbeitet haben in Kenia, ging eigentlich die Arbeit richtig los, von da an waren wir jedes Jahr in einem anderen Land. Gerade der kulturelle Austausch hat eine wahnsinnige Bereicherung im Sinne von künstlerischer Entwicklung und Auseinandersetzung geboten. Jedes Projekt für sich war ein High Light für mich.


Mixed abled Tanz heißt die Tanzrichtung, die auch DIN A 13 ausübt. Wäre das Konzept mixed abled auch auf andere Lebens- oder Sportbereiche anwendbar?


Ja ich meine was heißt mixed abled? Das bezieht sich ja nicht nur auf eine körperliche Besonderheit, das bezieht sich auch auf unterschiedliche Kulturen und Genres und Alter, Geschlecht, Religion das ist ein sehr vielfältiger Begriff. Natürlich ist der auch auf andere Bereiche anwendbar. Es ist immer schwierig, weil ich eigentlich noch nicht mal diesen Begriff gerne verwenden möchte. Man braucht immer irgendwas um es zu beschreiben. Aber eigentlich möchte ich noch nicht mal diesen Begriff verwenden. Weil jedes Individuum irgendetwas besonderes hat und es geht darum genau dieses Besondere herauszuarbeiten und daraus Kunst zu kreieren, Bewegung zu kreieren.



Sie beschäftigen sich in ihrer Arbeit mit verschiedensten politischen und gesellschaftlichen Themen. Würden Sie sagen, dass sie durch ihre Arbeit künstlerisch forschen?


Ja auf jeden Fall, also gerade in Auseinandersetzung mit all den Ländern, wo wir tätig waren, haben wir immer dementsprechend auch das Thema der Choreographie gewählt. Also aus dem, was Bestandteil von dem kulturellen Geschehen war. Zum Beispiel Umbruch, das war ein dreijähriges Projekt in dem wir in Länder gegangen sind, die in einem Umbruch in dem Sinne waren, wir waren in Sri Lanka, Israel und Venezuela. Das waren alles Länder, wo ganz viel passiert ist. (…)

Wir haben in jedem Land dieselben Ansätze der choreografischen Arbeit, also wie das Stück entsteht, dieselben Fragestellungen oder Aufgaben gestellt. Und in jedem Land ist komplett ein anderes Stück rausgekommen. Also auch in Auseinandersetzung mit den Gegebenheiten und den Erfahrungen der Tänzer die mit uns zusammengearbeitet haben. Das ist schon eine Forschungsarbeit, auf jeden Fall.


Was wird die nächste Aufführung oder das nächste Projekt sein?


Wir haben gerade von Stadt und Land die Förderung für eine dreijährige Konzeption bekommen zum Thema Keller.

Keller im metaphorischen Sinne. Einmal Keller im Sinne von das Verborgene also das, was Leute eigentlich in ihrem eigenen Keller leben. Also Verborgenheiten. Also die tabuisierten Themen der Gesellschaft.

Im zweiten Jahr werden wir mit Keller als innerer Keller, mit traumatischen Erlebnissen arbeiten. Und im dritten Jahr, 2020, in Kooperation mit einer spanischen Kompanie aus Barcelona. 2020 ist Jahrestag in Deutschland: 75 Jahre nach der Hitlerdiktatur und 45 nach Franco, und wir wollen uns da speziell mit Folteropfern beschäftigen, und auch solchen, die davon eine Behinderung davongetragen haben.



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