Luft raus? Zeit für einen Aircheck!
Verfasst von Eva Schwert am
Wer bereits einmal bei uns im Sender war, weiß: die Luftqualität in unseren Räumlichkeiten ist fast so mies wie die der Kölner Innenstadt. Aufgeheizt von brummenden Computern vereinigt sich hier der Schweißgeruch von hart arbeitenden Redakteuren mit dem Duft von abgestandenem Bier und ranzigem Käse.
Vor allem im Sommer sorgt diese angestaute, stickige Hitze für flachen Atem und ebenso flache Witze. Nach einer mehrstündigen Sendung freut sich deshalb jedes unserer Radiogesichter über weit geöffnete Fenster. Das Problem dabei: Die existieren bei uns leider nur auf dem Bildschirm.
Aber statt im Anschluss an die Sendung direkt nach draußen kriechen zu können, um endlich wieder den Duft von frischem Gras und brutzelnden Kohlegrills einzuatmen, bleiben wir eine weitere Stunde in unserem muffigen Keller und hören uns sämtliche Beiträge der Sendung an, um konstruktives Feedback zu geben.
Ein Unding, dass gerade dieser Vorgang, der einem die verdiente frische Luft verwährt, „Aircheck“ genannt wird…
Doch während die Luftqualitätsmessungen ja bekanntlich nicht nur in unserem Sender zu keinen positiven Veränderungen führen, sorgen diese Airchecks immerhin dafür, dass wir die Qualität unserer Beiträge von Mal zu Mal verbessern können!
Was sich alles aus einem kleinen Aircheck rausholen lässt,
hat uns am vergangenen Wochenende ein LfM-Workshop vom Radio- und Moderationstrainer
Christoph Flach gezeigt. Im Konferenzraum von Hertz 87.9, dem Campusradio für
Bielefeld, wurden jede Menge Lob, Kritik und Verbesserungsvorschläge verteilt -
natürlich nicht, ohne die folgenden Kriterien zu beachten.
Darauf solltet ihr beim Aircheck achten:
- Ist die Sprache des Moderators mündlich und verständlich?
- Wird die Zielgruppe angesprochen und auch erreicht?
- Wie ist der „Fluss“ der Sendung? Benutzt der Moderator die Regler, um Ramps und Outros zu nutzen und gelingt ihm das? Sind Jingles, Dropper, Hooks und Co gut eingebaut?
- Ist
der Inhalt der Moderation relevant, korrekt, differenziert, unterhaltend und
fair?
- Handelt
es sich bei der Moderation um EINEN klaren Gedanken?
- Hat
der Moderator einen guten Earcatcher und einen knackigen Ausstieg gefunden?
- Ist
die Persönlichkeit des Moderators und seine Haltung spürbar?
- Hatte der Beitrag eine gute Länge?
Im Aircheck ist die Aufmerksamkeit der Zuhörer natürlich eine andere als im Alltag. Da Radio ein Begleitmedium ist, kann es daher sinnvoll sein, sich auch im Aircheck mit anderen Dingen zu beschäftigen. Frische Luft ins Studio wedeln zum Beispiel... Besonders hilfreich ist das allerdings nicht, deswegen sollet ihr dem Beitrag ausnahmsweise mal eure ungeteilte Aufmerksamkeit schenken.
Dann gilt es, konstruktives Feedback zu geben. Denkt dabei daran, dass es keine universale Wahrheit gibt: was dem einen gefällt, kann für den anderen ein absolutes No-Go sein.
Vielleicht findest du es total scheiße, dass ich hier so simple, offensichtliche Phrasen raushaue - vielleicht gibt es aber auch Menschen, die das ganz gut finden...
Eure subjektiven Empfindungen sollten daher immer schön aus der Ich-Perspektive dargestellt werden. Deswegen haben auch Diskussionen nichts im Aircheck zu suchen.
Außerdem im Aircheck-Knigge:- Ihr
airchecked das Produkt, nicht die Person. „Ich find den Inhalt sehr gut“
funktioniert besser als ein „Ich find dich sehr gut“. Solche Zwischenmenschlichkeiten könnt ihr nach dem Aircheck ausleben.
- Augenkontakt ist schrecklich, ja. Trotzdem solltet ihr euch überwinden und eurem
geaircheckten Gegenüber in die Augen schauen, während ihr mit ihm redet.
- Wenn
du Feedback zu deinem Beitrag bekommst – hör zu. Bis zum Ende. Und dann – wenn du
willst – darfst auch du endlich zu Wort kommen. Sonst wird der Aircheck zum Ort von Selbstkasteiung und
Rechtfertigungsgenöhle, beides ist nur selten produktiv…
Beim Workshop mit Christoph Flach und einigen Moderatoren von Hertz 87.9 hat der Aircheck einige Erkenntnisse gebracht, die sogar festgefahrene Senderstrukturen offenbart haben. Nur weil etwas immer schon so gemacht wurde, heißt es nicht, dass das (auch heute noch) für jeden die beste Art und Weise ist, zu moderieren.
Moderationstipps
Während jeder seinen eigenen Moderationsstil finden muss, konnte Christoph uns bei unserem Aircheck jedoch einige Moderationstipps nennen, die für jeden Moderator hilfreich sein könnten. Selbstverständlich habe ich beim Schreiben dieses Beitrags einige Regeln und Tipps ganz bewusst ignoriert, damit sie euch besonders einleuchten:
- In
manchen Moderationen kommt es zu einer durchfallartigen Entleerung von
Information… Dann bekomme ich mehr Pizza, als ich bestellt habe. Auch wenn das so
manchem Freude bereitet, ist es eher: Nicht gut. Journalismus heißt „sinnvoll
verknappen“.
- Wenn
eine Ramp zu lang ist, dir also noch einige Sekunden fehlen, bis der Song so
richtig losgeht, du aber nichts mehr zu sagen hast, kann dir ein Drop-In aus
der Patsche helfen. Das kann zum Beispiel der trocken produzierte
Station-Jingle sein. Den solltest du dementsprechend immer bereithalten.
- Medienforschungen
haben ergeben, dass nach 2 Liedern grundsätzlich ¼ der Hörerschaft ausgetauscht
sind. Auch wenn das ein permanenter Eiertanz ist: Als Moderator ist es deine
Aufgabe, alle zu beglücken. Du solltest also nicht darauf vertrauen, dass die
Hörer noch wissen, was ihr vor einer halben Stunde in den Nachrichten gesagt
habt…
- Wenn
du selbst nicht zufrieden bist mit deinem Skript – geh damit nicht on air, mach
es nochmal. Der Hörer spürt, dass du selbst nicht überzeugt bist. Meinst du
das, was du da sagst? Oder gibt’s hier eine eklatante Wirkungs-Schere?
- Apropos
Skript: Steck lieber mehr Zeit in die Vorbereitung der Themen, als in die
Ausarbeitung des Manuskripts. Wenn du Bescheid weißt, wuppst du das auch ohne –
und das in einem viel persönlicheren Stil.
Vorbereiten ist Arbeit, Senden ist Freizeit!
- Jochen Pützenbacher, Radio Luxemburg
- Das
gilt natürlich nicht für alle Themen gleichwertig. Während für eine bunte
Moderation (bei Kölncampus nennen wir sie Zwischenmoderation) ein Einfall und
ein Stichpunkt reicht, solltest du bei einem Interview vor allem die
Abmoderation notiert haben, um einen guten Ausstieg zu finden.
- Sprechlautstärken
werden automatisch mit Kommunikationssituationen verbunden. Damit du vom Hörer gehört wird, brauchst du nicht zu
schreien. Außer du hältst dabei einen Regenschirm in die Luft und spielst Reiseführer…
- Anmoderationen
zu Kollegengesprächen und Co sollten vom Moderator formuliert werden. Wenn es
Vorschläge vom Kollegen, der den Beitrag geschrieben hat, gibt, sollten diese
karg und informativ sein, die Kreativleistung bringt der Moderator!
- Gleichzeitig
gilt auch: der Moderator ist nicht allwissend – wichtige Informationen kommen
nicht von ihm, sondern vom Kollegen! Wenn du als Moderator zu fachlich wirst,
entfernst du dich zu weit vom Hörer. Gleichzeitig in die Tiefe UND in die
Breite zu gehen, ist zu viel, entscheide dich für eins von beidem.
- LAST BUT NOT LEAST: Anfänger zu sein hat Profil. Ecken und Kanten sind was Geiles und ermöglichen es dir, deinen eigenen Typ zu kreieren.
Lass dir diese Ecken und Kanten nicht abschlagen, sonst leidest auch du bald unter dem FLUCH der PROFESSIONALITÄT.