Spülen mit polnischen Indianern
Verfasst von Niklas Eckert am
In welchen Situationen des Lebens gefällt dir Abspülen? Nie?! Dann komm zu Kölncampus und lass dich vom Gegenteil überzeugen.
Radio ist
ein spezielles Medium. Man hört es oft, aber man hört es eben nur. Welche
Haarfarbe hat der Moderator? Wie läuft eine Sendung ab? Wie sieht das Studio
aus? Keine Ahnung! Ich hatte absolut keine Ahnung! Dann bekam ich einen Flyer
bei der Erstsemester-Vorstellung in die Hand gedrückt. Kölncampus stand da groß. Das Kölner Hochschulradio. „Das ist die
Chance!“, dachte ich. Also habe ich mich beworben und die On-Air-Ausbildung
dort begonnen. Laut vertraulichen Quellen, war ich scheinbar der erste Mensch
seit dem Urknall, der wegen der Flyer auf die Ausbildung aufmerksam geworden
war. Aber das blieb nicht die einzige Überraschung für mich. Mein erster Tag
begann gut, es machte wahnsinnig viel Spaß und ich fand alle Antworten, die ich
suchte: Schwarz, irgendwas zwischen organisiert und chaotisch und das Studio
ist wie ein Wohnzimmer mit Theke und Mikrofon.
Aftershow auf dem Klo
Aber
überraschend kam für mich dann die Ansage nach dem Air-Check, also der Kritik
an den Beiträgen. „Also los geht’s, Abspülen.“, sagte eine meiner Kolleginnen.
„Waaas? Verdammt! Ganz vergessen. Wir hatten ja gefrühstückt vor der Sendung
und irgendwie muss das Geschirr ja wieder sauber werden.“ Etwas genervt ging es
also Richtung Toilette, wo wir die Waschbecken missbrauchten, um Besteck,
Tassen und Teller von den hässlichen Überresten des Frühstücks zu befreien.
Doch meine anfängliche Skepsis verwandelten die anderen drei Azubis schnell in
ein Lächeln. Denn auf dem Klo herrschte gelassene Stimmung. Vielleicht auch,
weil Toiletten normalerweise Orte sind, an denen sich die Spannung löst.
Wöchentliches Flirttraining
Das sonst so
stille Örtchen wurde Woche für Woche aufs Neue belebt. Mal als Debattier- und
mal als Comedyclub. Wahrscheinlich machten dort aber doch deutlich öfter Witze
die Runde, als ernsthafte Debatten. Und so blieb das Niveau meist flach, wie
auch fast alle Witze. Aber wer will nach einigen anstrengenden Stunden
einigermaßen seriösen Radios, auch noch anspruchsvolle Gespräche führen.
Stattdessen wurde die äußerst romantische Situation des Gruppenabspülens
genutzt, um die besten und wohl gleichzeitig schlechtesten Anmachsprüche des
eigenen Flirtrepertoires zu präsentieren. „Wusstest du das Indianer und Polen
die besten Liebhaber sind?“ „Nein.“ „Hallo, Winnetou Koslowski mein Name.“ Dass
wir einen polnisch stämmigen Ureinwohner Nordamerikas in unserem
Frührausch-Team hatten, wusste natürlich niemand. Wie auch? Man hat während
einer Sendung nicht so viel Zeit sich kennenzulernen. Erst auf den befreienden
Örtlichkeiten des WCs, kann man sich dann voll und ganz öffnen und… Moment, das
ist eindeutig zu zweideutig!
Teambuilding beim Abspülen
Jedenfalls lernte man sich nachfrühräuschlich (ein tolles Wort) auf der Toilette am besten kennen. Wenn Frauen mit aufs Männerklo mussten oder Männer mit aufs Frauenklo, um abzuspülen, waren sowieso alle Hemmungen schon bei Seite gelegt. Und so entstand jeden Dienstag, nach unserer Sendung, eine richtige Einheit. Auch wenn mir die Pflicht eines kameradschaftlichen Radioredakteurs zunächst missfiel, so wurde das allwöchentliche Abspülen zu einem der Highlights meiner Frührausch-Zeit. Danke an alle, die sich mit mir aufs Klo getraut haben und meinen, aus Übermüdung entsprungenen, schlechten Humor ertragen haben. Es war mir eine Freude. Vielleicht trifft man sich ja mal wieder auf der Toilette.